Nürnberg – Stadt der Reichskleinodien

Nürnberg beherbergte einst nicht nur die Reichskleinodien, nein, es ist selbst ein Kleinod. Es ist die Stadt, der ich meinen ersten Augenaufschlag geschenkt habe. Ob sie das weiß??

Da ich nicht mehr ein ortsansässiger Einheimischer bin, bieten sich natürlich immer wieder kleine Stippvisiten in das schöne Städtchen an der Pegnitz an. Beruflich und privat ist es für mich ein Magnet geblieben.

So auch in diesem Jahr, als wir einen relativ spontanen Ausflug mit der Fotogruppe planten und auch in kürzester Zeit realisierten. Um mich vorzubereiten, bin ich vorher einmal mit den Augen des Touristen durch die Stadt gezogen. Plötzlich erschien die Stadt gar nicht mehr so reizvoll – vor meinem geistigen Auge erschienen die vielen Läden, die es nicht mehr gibt und heute durch Locations mit kaum aussprechbaren Namen besetzt sind und die merkwürdigsten Dinge – auch Fressalien – anbieten. Wehmut beschlich mich – das Schlenkerla ist geschlossen – wird umgebaut – wahrscheinlich mit Rauchbierlounge und Bratwurst-Sushi … Die schönen Geschäfte, in denen man früher mit Namen begrüßt wurde und deren Fachverkäuferinnen genau wussten was gefällt und passt – sind weg, einfach weg. Eine Filiale der vielen Einzelhandelsketten bevölkert dieses schöne Ladengeschäft heute. In der Peripherie, wo einst blühende Viertel mit florierenden Werkstätten und produzierender Industrie ansässig waren, mit wohlklingenden Namen, die Tradition hatten, findet man heute Secondhand-Möbel, Feiersäle für Hochzeiten unserer türkischen Mitbewohner, Fitnessstudios in denen der vermeidbare Sixpack heran gezüchtet wird und ein paar “Autobatscher” die samt und sonders die Fahrzeuge mit den vielen Kilometern, die sich zwischen Nürnberg und Ankara angesammelt haben, noch einmal durch den TÜV bringen wollen. Und da kommt einem der Satz der Altvorderen in den Sinn: “Früher war alles besser!” War es das wirklich?? Wir machten uns auf den Weg und erforschten Nürnberg neu.

Kulinarisches aus der Stadt

Burger, Sushi und Co. ließen wir links liegen – denn was kann man in Nürnberg anderes essen als die allseits feilgebotenen Bratwürste. Betritt man die Stadt wird man sofort eingehüllt in eine Duftglocke von Bratwurstgeruch. Ständig läuft einem das Wasser im Mund zusammen und der Magen meldet sich stündlich mit Knurren, um wieder “Drei im Weckla” zugeführt zu bekommen. Alleinig zu toppen ist dieser Genuss durch ein echtes “ofenfrisches Schäuferla”. Dieses köstliche Stückchen Fleisch, das aus der Schulter des wohlgenährten fränkischen Schweines kommt, und noch in seinem tiefen Inneren einen Knochen in Form einer kleinen Schaufel beherbergt. Die Oberseite muss durch eine knusprige, in kleine Würfel geschnittene Speckschicht bedeckt sein. Eigentlich ist es das Beste, was das Schäuferle zu bieten hat – diese kleinen knusprigen auf der Zunge zergehenden Speckwürfelchen. Den Rest könnte man auch durch anderes ersetzen. “An gscheiten Kloß und aweng a Soß” dazu und man fühlt sich wie Gott in Franken. Und was ist mit Lebkuchen?? Es ist Sommer und dieselbigen werden jetzt erst produziert. So ab September zieht dann der Geruch von frisch gebackenen Lebkuchen durch die Stadt.

Am Anfang stand der Bahnhof

Wir begannen unseren Trip vom Bahnhof aus – das Gebiet rund herum ist eine einzige Baustelle. Weite Umfahrungen waren notwendig um das gebuchte B&B Hotel am Frauentorgraben zu erreichen. Lediglich der Ausblick zwischen den Kränen und Bauzäunen auf das schöne Bauwerk des Bahnhofes entschädigte.

Nürnberger Bahnhof

Das Hotel überraschte mit einem guten Preis, sauberen und ordentlichen Zimmern und einer Parkgarage, die für die mit dem Auto angereisten Gäste, Stellmöglichkeiten für das eigene Fahrzeug für eine Tagespauschale von 5 Euro bereithielt. Von dort kann man bequem durch die Straße der Menschenrechte in die Innenstadt laufen, und die Shoppingmeile erobern.

 

Nach Darstellung des Menschenrechtsbüros der Stadt Nürnberg ist die Straße der Menschenrechte „sowohl eine Anklage gegen die Verbrechen der Nationalsozialisten als auch eine zu Stein gewordene Mahnung an die Menschen, dass die Menschenrechte auch heute noch in vielen Staaten der Erde massiv verletzt werden“.[1]

Die Straße der Menschenrechte wurde am 24. Oktober 1993 eröffnet. Im gleichen Jahr entstand die Idee zum Internationalen Nürnberger Menschenrechtspreis.

Quelle Wikipedia

Und dann – welch eine Überraschung – ja, es gibt es noch – das “Cafe Beer”. Man sitzt innen oder aussen an gemütlichen Kaffeehaustischen und kann einen wunderbaren Kuchen genießen. Hier wird Kaffeehauskultur noch großgeschrieben und gepflegt – ein schönes Erlebnis.

Wir bummeln durch die Straßen in Richtung Hauptmarkt. Vorbei an der Lorenzkirche mit dem “Englischen Gruß” von Veit Stoß geht es über die Fleischbrücke zum Markt – der sommers von Marktständen mit fränkischen Gemüse aus dem Knoblauchsland und “woandersher” – und winters vom berühmten “Christkindlesmarkt” bevölkert wird.

Der Schöne Brunnen mit den eingeschmiedeten Ringen wird besucht und dieselbigen gedreht, wie es der Brauch vorschreibt. Wir wollen ja alles richtig machen. Ob es nun einfach nur Glück bringt, einen erneuten Besuch garantiert oder reichlichen Kindersegen beschert – die Geschichten sind vielfältig – aber es wird schon nützen und nicht schaden. Siehe auch:Nürnberg Tourismus oder bei Petra Schuster dort gibt es mehr Infos.

Es fängt das Nieseln an und wie bereits erwähnt, es knurrt der Magen. Was liegt näher – im wahrsten Sinne des Wortes? Ja, das Bratwursthäusle! Kartoffelsalat in seiner besten Rezeptur und Bratwürscht auf dem Buchenholz gegrillt. Ab 12 Stück werden Sie auf dem Herzerl serviert. Ein Zinnteller in Herzform. Senf und Meerrettich dazu – und immer noch wie früher: “Wieviel Brot hatten Sie?” Dass es so was noch gibt. Der Chef quetscht immer noch die Menschen in sein Lokal – ‘Platz für wieviel? – Kommen Sie nur rein – da hinten ist noch Platz für zwei (er würde es auch schaffen, dort fünf Menschen zu platzieren) – rucken Sie doch mal etwas zusammen’ auch wenn er nicht mehr ganz so flott durch seinen Laden wirbelt, hier ist noch das alte Nürnberg zu spüren.

Die Nürnberger Altstadt im Mondschein und seinem leuchtenden Nachtkleid ist natürlich ein Fotohighlight für die Fotografen. Hier kann man sich austoben mit Langzeitbelichtung und HDR.

Es wird trotz Juli kühl und wir suchen noch ein nettes Lokal für den Absacker. Das Sebald liegt auf dem Weg – durch die Scheiben betrachtet sieht es immer noch sehr einladend aus. Nicht ganz so einladend war dann der Service und die Getränke. Dafür war der Preis um so stolzer … wir würden jetzt nicht nochmal hingehen. Vielleicht ist es besser nur dort zu speisen?? – das haben wir aber nicht ausprobiert.

Auf dem Rückweg überraschte uns noch ein Gewitter – das kann aber auch schütten in Nürnberg! – und wir kamen klitschenass im Hotel an. Das Frühstück am nächsten Morgen überraschte durch seine Schlichtheit. Man wird satt – aber es ginge auch besser. Ein kleiner Geheimtipp für Frühstücker bekam ich später: das Literaturhaus. Ich werde es demnächst ausprobieren. Und an dieser Stelle berichten.

Ein ganzer Tag lag vor uns. Wir begannen mit einer kleinen Straßenbahnfahrt zum Johannisfriedhof. DIE Ruhestätte DES Nürnbergers, der was auf sich hält. Traditionell, blumengeschmückt und in Nachbarschaft aller Honorationen dieser Stadt. Auch Albrecht Dürer hat hier seine letzte Ruhe gefunden.

Entlang der Johannisstraße gibt es zwei wunderschöne Barockgärten. Wir gehen hinein und sind überrascht von diesem Refugium der Ruhe.

Von dort aus geht‘s es zu Fuß zur Burg. Ein herrlicher Ausblick über Nürnberg und – viele, viele Menschen. Auf Führungen in die Innenräume verzichten wir aufgrund der Menschenmassen, aber genießen das Flair der alten Mauern die so manche Geschichte erzählt. Nicht zuletzt die vom Ritter Eppelein, dessen letzter Wunsch war, noch einmal auf seinem Pferd zu sitzen und der dann mitsamt dem Pferd über den Burggraben sprang. Dessen Hufabdruck ist dort noch heute zu sehen.

Ja und dann – dann ist er schon wieder da, der verführerische Duft … Ein Schäufele ist jetzt grad richtig. Wir sitzen auf der Terrasse der Hütt’n in direkter Nachbarschaft zum Tiergärtnertorplatz, den der Nürnberger fälschlicherweise als Dürerplatz bezeichnet, und genießen das wohlverdiente Mittagessen. Besagter Dürerplatz ist abends ein beliebter Treffpunkt für Alt und Jung, man steht einfach rum, ratscht und trinkt Bier. Dort trifft man immer jemanden für ein Pläuschchen.

Wir gehen weiter, durch die verwinkelten Gassen Richtung Pegnitz. Der Kettensteg, eine Hängebrücke die nach historischem Vorbild vor einigen Jahren erneuert wurde, führt uns in die Innenstadt. Durch die schönen kleinen Straßen und Plätze, Unschlittplatz und Obere Wörth Straße nähern wir uns der modernen Innenstadt. Beim Weißen Turm finden wir als Fotografen mit dem Ehekarussell-Brunnen ein lohnendes Motiv.

Das Ehekarussell, von Jürgen Weber entworfen und 1984 am Nürnberger Ludwigsplatz aufgestellt, gilt heute als größter europäischer Figurenbrunnen des 20. Jahrhunderts. Um den tanzenden Meistersinger von Nürnberg, Hans Sachs, zeigt ein Figurenreigen in sechs Szenen das bewegte Eheleben von der ersten Verliebtheit bis zum Tod. Das Ehekarussell ist eine Komposition aus bemalten, teilweise vergoldeten Figuren und Marmorskulpturen.

Die Meistersinger von Nürnberg, von Richard Wagner in seiner berühmten Oper verewigt, waren eine Zunft bürgerlicher Dichter und Sänger, die an der Meistersingerschule die Künste des Dichtens, Singens und Komponierens lehrten. Ihr wohl berühmtestes Mitglied, der Schuhmachermeister Hans Sachs, 1494 in Nürnberg geboren, verfasste zeit seines Lebens mehr als 6000 Gedichte und Lieder. Das für seine Frau geschriebene Gedicht “Das bittersüße eheliche Leben” diente als Vorlage für das Ehekarussell und ist auf einem liegenden Herz außerhalb des Brunnens nachzulesen.

Quelle: Tourismus Nürnberg

Wir verlassen die Innenstadt in Richtung Plärrer. Der Hauptverkehrsplatz in Nürnberg. Früher stand in dessen Mitte Einer, der plärrte die Neuigkeiten des Tages und informierte die Bürger der Stadt. Heute plärrt nur noch das eine oder andere Handy – trotz angeschlossener Kopfhörer. Der Stau zum Feierabend ist hier vorprogrammiert. Auch der erste Paternoster Nürnbergs im “Hochhaus am Plärrer” ist nicht mehr in Betrieb. In unmittelbarer Nähe befindet sich auch das Volksbad, das zwar als Lokation zu mieten ist, ansonsten verschlossen bleibt.

Entlang der Stadtmauer in Richtung Färbertor fallen uns die viereckigen Löcher auf, die in die Mauer gestemmt wurden. Sie dienten einst den Färbern, die dort ihre Stangen einhakten, an denen sie die gefärbten Stoffe zum Trocknen aufhängten.

Durch den Burggraben, in dem sich im nördlichen Teil verwunschene Kleingärten befinden (lohnenswert zu sehen), kommen wir mit schmerzenden Füßen im Hotel an.

Abendplanung??

Irgendwas mit Tradition – so landen wir im Heilig-Geist-Spital. Einst als Altenheim geplant, wird es als dieses auch heute noch genutzt. Es befindet sich aber auch, in diesem die Pegnitz überspannenden Gebäude, ein Restaurant. Es gibt ein gutes Abendessen und wir fühlen uns wohl und mit gutem Essen und Service verwöhnt.

Wir toben uns nochmal mit Nachtfotografie aus. Die Stadt leuchtet in einem warmen Goldton.

Den Abend ausklingen lasssen …

In der Kaiserstraße finden wir diesmal eine bessere Lokation für den Absacker. Das Paul ist eine moderne Bar und Cafe in traditionsreichen Räumen. Früher befand sich hier die “Kronfleischküche” – einst ein Lokal, welches für eine der besten fränkischen Küchen bekannt war. Dort habe ich meinen ersten Schluck Bier aus Papas Glas nehmen dürfen und wurde in die Gastronomie der Frankenmetropole eingeführt. Donnerstag war dort immer Stammtisch – gibt es sowas noch?

Am Sonntag geht’s zum Dutzendteich

Ganz wie es der Nürnberger im Sommer macht, gehen wir am Sonntag zum Dutzendteich. Es ist ein künstlich angelegter kleiner See, auf dem man sogar Segeln kann. Auch einen Yachtclub gibt es hier. Spazierwege, Wiesen und natürlich auch Cafés und Biergärten säumen das Ufer.

Wir haben eine Führung gebucht, nicht um den Dutzendteich sondern über das angrenzende Reichsparteitagsgelände. Wir treffen uns am Dokuzentrum und laufen über das weitläufige Gelände.

Der Führer ist kompetent und wir kommen aus dem Staunen und Kopfschütteln über soviel geplanten Gigantismus und Größenwahn nicht raus. Es ist unvorstellbar, was hier entstehen sollte. Es wurden Menschenmassen von bis zu 500.000 Menschen erwartet. Nürnberg selbst hat heute ca. 510.000 Einwohner. Als Vergleich: Das jährlich stattfindende Rock im Park Festival wird von 60.000 Gästen besucht. Und da herrscht schon Ausnahmezustand in Nürnberg. Wir sind beeindruckt …

Zum Schluss dürfen wir sogar in den “Goldenen Saal”. Er befindet sich in den Innenräumen der Haupttribüne. Ein riesiger Raum mit goldenen Mosaiksteinen ausgekleidet, sollte dem “Führer” in seinen Redepausen für Erholung und Gespräche mit Gleichgesinnten dienen.

Heute ist es einerseits zu teuer die Gebäude abzureißen, andererseits muss man es soweit erhalten, dass es nicht eine Gefahr darstellt und völlig zerfällt. Die ganze Anlage ist aber auch ein historisches Denkmal, das erhalten bleiben soll. Die Stadt ist hier in einem Zwiespalt. Ähnlich wie mit dem angrenzenden Silbersee, der heute noch als eine tickende Chemiebombe vor sich hinschlummert. Es wurden dort Bombenteile und Überreste aus dem 2. Weltkrieg versenkt und diese gammeln jetzt so vor sich hin und setzen gefährliche chemische Stoffe frei. Es wird vor dem Baden gewarnt, aber das ist auch alles. Sollte so eine “chemische Zeitbombe” in Privatbesitz sein, würde der Eigentümer bis hin zum persönlichen Bankrott solange gezwungen werden, bis er für die Beseitigung sorgt.

Fazit:  – Nürnberg ist eine Reise wert –

und wir überlegen wiederzukommen. Es war ein schöner Ausflug!

Regine Richter